In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai wird die Walpurgisnacht gefeiert, am Vollmond um den 1. Mai das Jahreskreisfest Beltaine. Was oft als Ein- und Dasselbe vermutet wird, hat bei genauerer Betrachtung zwei völlig verschiedene Bedeutungen.
Beltaine (oder Beltane) ist das keltische Hoch-Fest des Frühlings. Unsere Vorfahren feierten die Vermählung des jungen Gottes mit der Göttin. Also die Vereinigung von Sonne und Erde, um reichlich Frucht hervorzubringen. Und da unsere Vorfahren keinen A1-Wandkalender besaßen auf dem der 1. Mai eingezeichnet war, feierten sie einfach zum Vollmond im Mai. Die Natur zeigt nun im Außen mit ihrem ungezügelten Wachstum, dass die aktive Jahreszeit angebrochen ist. Die Hormone von Mensch und Tier wissen das auch. Schlaue Biester!
Der Maibaum, der vielerorts aufgestellt wurde, repräsentierte zum einen den Weltenbaum, der in indigenen Völkern und aus schamanischer Weltsicht große Bedeutung besitzt. Zudem war er ein Phallus-Symbol. Fruchtbarkeit eben. Und der Kranz, der viele Maibäume schmückte, war Symbol für den weiblichen Schoß und für den Kreislauf des Lebens.
Die Feuer, die entzündet wurden, hatten reinigenden und transformatorischen Charakter. Der letzte alte Wintermuff wurde verbrannt, damit Neues erblühen kann. Der Sprung übers Feuer gehörte ebenfalls dazu und symbolisierte den Sprung aus der kalten, entbehrungsreichen Jahreszeit in die Wäre und die Fülle. Oder auch aus dem bisherigen Leben in ein neues. Paare sprangen gerne gemeinsam übers Feuer. Mit dem Feuer und wildem Geschrei (manche nennen es auch Singen) vertrieb man gleichzeitig die letzten Wintergeister.
Nun war Beltaine, wie viele andere heidnische Feste, den christlichen Missionaren ein Dorn im Auge. Man muss sich nur vorstellen, was da gefeiert wurde: Die Lust, die Lebensfreude, die Vereinigung / Sexualität – und das in ausschweifenden, tagelangen Feiern mit Tanz, Gesang, Met und freizügigen Fruchtbarkeits-Ritualen. Jetzt kann sich jeder denken, wie das auf zölibatäre Mönche und Priester gewirkt haben muss. Alles Teufelszeug! Jawoll.
Und dass in diesem Fest unter anderem der Waldgott Cernunnos geehrt wurde – ein gehörnter Gott (ebenso wie Pan und etliche andere), bot den Missionaren eine Steilvorlage. Hörner auf dem Schädel – das muss der Teufel sein. So schnell ist aus einem Gott ein behaarter, Typ mit Pferdefuß und bösen Absichten geworden. Beltaine musste also einen anderen Anstrich bekommen, um das alte „sündige“ Fest in ein christliches Korsett zu pressen. Aber wie?
Jetzt kommt Walpurga ins Spiel, die Namensgeberin des Walpurgis-Festes. Walburga war eine Nonne und wurde um 710 in England geboren. Sie war Benediktinerin und fühlte sich berufen, den christlichen Glauben in Europa zu verbreiten. Als Äbtissin hat sie zuletzt im Kloster Heidenheim gewirkt und soll dort Wunder vollbracht haben. Am 1. Mai 870 (das Jahr ist nicht 100 % belegt) wurde sie heilig gesprochen und war fortan Schutzheilige der Seefahrer, gegen Sturm, Krankheiten, Seuchen, Tollwut, Hunger und Missernte.
Den 1. Mai hat der Papst – sicher nicht ohne Hintergedanken – zum Ehrentag der heiligen Walpurga erkoren. Und der wurde dann jedes Jahr gefeiert. Allerdings ein wenig anders als das heidnische Beltaine. Inhalt der Feierlichkeiten war nun: die Menschen vor Dämonen, bösen Geistern und Hexen zu schützen. Die Feuer bekamen danach eine andere Funktion, wie wir wissen. Denn Hexen sollen ja wahre Übeltäterinnen gewesen sein.
Noch heute gibt es Geschichten von Hexen, die in der Walpurgisnacht zum Blocksberg fliegen, um sich mit dem Teufel zu vergnügen, Schadenszauber zu wirken und was nicht alles. Mit dieser Geschichte unterstrich man die üble Verdrehung. Jetzt waren Hexen böse. Punkt. Sie waren keine Heilerinnen mehr, keine weisen Frauen, keine Hebammen, keine Kräuterkundigen, keine Lehrerinnen… Jetzt waren sie nur noch alte, verbitterte Weiber, die Kinder fraßen, wenn sie ihrer habhaft wurden.
Auf dem Brocken wurde tatsächlich gefeiert. Denn das Gebiet im Harz ist gespickt mit vorchristlichen Kraftplätzen. Auch heute noch wird dort gefeiert. Meist aber ist es reiner Partyspaß ohne tiefen Inhalt.
So wurde allgemein aus Walpurgis ein Feierspaß. Um komplett wegzugehen von den alten Traditionen hat man diesen einfach umbenannt. Heute heißt er Tanz in den Mai. Bei diesen Partys sind bei genauerer Betrachtung noch immer Elemente des ursprünglichen Festes enthalten. Und neun Monate später, um das Lichtfest Imbolc, erblicken die kleinen Früchte der lustvollen Zeit das Licht der Welt.
Wie es so ist mit dem ursprünglichen, gewaltsam verdrängten Wissen um die Magie der Jahreszeiten: Es bahnt sich geduldig seinen Weg aus der vermeintlichen Vergessenheit an die Oberfläche. Immer mehr bewusste Menschen kennen die Qualitäten der Jahreskreisfeste und feiern sie im ursprünglichen Sinn: Als Kraftquellen in der Spirale des Lebens.