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Togglevon Asha
Wenn die Sonne am höchsten steht, der Tag nicht enden will und die Natur sich verschwenderisch zeigt – dann feiern wir Litha, die Sommersonnenwende. Es ist eines der ältesten und kraftvollsten Feste im Jahreskreis. Ein Höhepunkt des Lichts und des Lebens, und zugleich ein tiefgreifender Wendepunkt. Dieser Artikel führt dich durch die Geschichte, die Mythen und die spirituelle Bedeutung dieses Festes und gibt dir Impulse für dein eigenes, persönliches Ritual.
Die Sommersonnenwende, die um den 21. Juni stattfindet, markiert den höchsten Sonnenstand des Jahres und den längsten Tag. Dieser Moment, an dem die Sonne ihren Zenit erreicht, war bereits in der Bronzezeit ein zentrales Fest im europäischen Raum.
Unsere Vorfahren lebten in engem Einklang mit den Zyklen der Natur. Sie sahen die Sonnenwenden als heilige Schwellen im Jahr – als Fixpunkte und Orientierungshilfen. Insbesondere die Sommersonnenwende wurde in vielen Kulturen als die Hoch-Zeit von Licht und Leben gefeiert. Doch woher wissen wir das?
Ein Blick nach Südengland zeigt uns Stonehenge, eines der beeindruckendsten Zeugnisse früherer Kulturen. Der Steinkreis ist präzise so ausgerichtet, dass zur Sommersonnenwende die ersten Sonnenstrahlen genau auf den zentralen Altarstein fallen. Bis heute versammeln sich dort Tausende von Menschen, um dieses Schauspiel zu erleben und den Sonnenaufgang zu feiern.
Auch in Skandinavien ist Midsommar ein zentrales Fest, das tief in der Kultur verwurzelt ist. Menschen tanzen um einen bunt geschmückten Baum, tragen Blumen im Haar und feiern gemeinsam die Fülle der Natur. In diesen lebendigen Bräuchen lebt das alte Wissen weiter: Die Erde schenkt und die Sonne nährt. Alles blüht – es ist eine kostbare, üppige Zeit.
Im keltisch-germanischen Raum war die Sommersonnenwende eines der kraftvollsten und fröhlichsten Feste im Jahreskreis. Dieses Sonnenfest war heilig und hatte einen tiefen spirituellen Hintergrund, denn es war eine Zeit, in der die Menschen sich noch stark mit der geistigen Welt, den Energien ihres Landes, ihren Ahnen und ihren Göttern verbunden fühlten.
Zu Ehren des Sonnengottes und der Mutter Erde wurden große Freudenfeuer auf Hügeln, Feldern und in Dörfern entzündet. Das Feuer symbolisierte die Kraft der Sonne – ihre Wärme, ihr Licht und ihre lebensspendende Energie.
In Deutschland wurden die alten Bräuche im Zuge der Christianisierung auf den Johannistag am 24. Juni verlegt. Doch die Traditionen sind geblieben: Noch heute werden Johannisfeuer entzündet und Kräuter gesammelt. In manchen Bergregionen rollt man brennende Stroh-Feuerräder die Hänge hinunter – ein eindrucksvolles Symbol für den Lauf der Sonne und ihren nun beginnenden Abstieg.
So strahlend Litha auch ist – es ist nicht nur ein Fest der überschwänglichen Freude. Es ist ein Wendepunkt. Ein sogenannter Kipp-Punkt im Jahresrad.
Mit der Sommersonnenwende beginnt das Licht, langsam wieder zu weichen. Von nun an werden die Tage wieder kürzer. Das Licht zieht sich zurück – erst unmerklich, dann immer spürbarer.
Dieser Rhythmus spiegelt sich am gegenüberliegenden Punkt des Jahres wider: Zur Wintersonnenwende erreicht die Dunkelheit ihren Höhepunkt, und das Licht wird neu geboren.
Diese beiden Sonnenwenden sind wie die Herzschläge des Jahres: Einatmen und Ausatmen, Aufstieg und Rückzug, Geburt und Verwandlung.
In alten keltisch-germanischen Überlieferungen wird dieser kosmische Wechsel als ein ewiger Kampf und Kreislauf zwischen zwei mythischen Brüdern erzählt: dem Eichenkönig und dem Stechpalmenkönig.
Der Eichenkönig regiert die helle Jahreshälfte – von der Winter- bis zur Sommersonnenwende. Er steht für Wachstum, Aufbruch, äußere Kraft und Vitalität. Unter seiner Herrschaft keimt und blüht alles.
Der Stechpalmenkönig regiert die dunkle Jahreshälfte – von der Sommer- bis zur Wintersonnenwende. Er steht für Reifung, Rückzug, Innenschau und Stille.
Zur Mittsommernacht wird der Eichenkönig im rituellen Zweikampf von seinem Bruder, dem Stechpalmenkönig, besiegt. Doch der Stechpalmenkönig ist kein „böser“ Herrscher. Er ist der notwendige Hüter des Abbaus und der Regeneration. Ohne ihn gäbe es keine Ernte und keine Ruhe. Zur Wintersonnenwende wird auch er „sterben“, wenn sein Bruder, der Eichenkönig, wiedergeboren wird.
Dieser Mythos ist ein Sinnbild für die Rhythmen in uns selbst.
Der Eichenkönig repräsentiert unsere Phasen des Tatendrangs, des Wachstums und der Entfaltung.
Der Stechpalmenkönig steht für die Zeiten, in denen wir innehalten, loslassen und nach innen schauen müssen.
Inmitten dieses ewigen Tanzes steht Mutter Erde. Sie ist nicht nur die Bühne dieses Schauspiels, sondern eine aktive Mitgestalterin. Zur Sommersonnenwende zeigt sie sich in ihrer kraftvollsten, üppigsten und fruchtbarsten Gestalt. Die Felder stehen in voller Kraft, die Blumen explodieren in Farben, das Leben pulsiert.
Doch auch sie kennt den Wandel. Sie ist die Göttin des Lebens und die Hüterin der Transformation. Sie lehrt uns, dass Licht und Schatten keine Feinde sind, sondern zwei Seiten derselben Wahrheit. Was entsteht, vergeht. Was vergeht, wird neu geboren.
Du musst nicht zu einem Steinkreis pilgern oder ein großes Fest veranstalten, um die Energie von Litha zu spüren. Auch im Kleinen kannst du diesen besonderen Moment ehren. Hier ein paar Anregungen:
Die Kräutersammlung ist ein zentrales Element von Litha. Ein traditioneller „Litha-Strauß“ kann aus 3, 5, 7, 9 oder 13 verschiedenen Pflanzen bestehen. Hier einige Pflanzen und ihre überlieferten symbolischen Kräfte:
Johanniskraut: Gilt als das Sonnenkraut schlechthin. Es soll Licht in die Seele bringen und vor negativen Energien schützen.
Beifuß: Ein starkes Schutz- und Reinigungskraut, oft zum Räuchern verwendet.
Kamille: Steht für Ruhe, Heilung und den Segen der Sonne.
Schafgarbe: Gilt als Kraut der Liebe und der Weissagung.
Rose: Klassisches Symbol für Liebe, Schönheit und die Fülle des Herzens.
Weitere Pflanzen und ihre magischen Kräfte findest Du hier:
Die Sommersonnenwende ist ein Tor – ein Übergang in die zweite Jahreshälfte. Sie lädt dich ein, dir selbst in deiner vollen Kraft, deiner Dankbarkeit und deinem Mut zur Wandlung zu begegnen. Alles steht jetzt in Blüte – auch wir. Doch inmitten dieser Fülle liegt schon der leise Schatten des Wandels.
Dieses Fest erinnert uns daran, dass nichts ewig wächst und dass jede Blüte den Samen des Rückzugs in sich trägt. Es ist ein guter Moment, um:
Litha ist eine Zeit, in der wir die Balance zwischen Licht und Schatten, zwischen Tun und Sein, würdigen können.
Litha ist mehr als nur ein Fest im Kalender. Es ist ein Spiegel unserer eigenen inneren Zyklen. Es ist eine Einladung, das Leben in seiner ganzen Fülle zu feiern und gleichzeitig die Notwendigkeit des Wandels anzuerkennen.
Wenn du dich dem Jahreskreis öffnest, öffnest du dich dem großen Tanz des Lebens selbst. Feiere das Licht, ehre den Schatten und erinnere dich daran, dass alles Rhythmus ist. Tanze mit der Erde durch Licht und Dunkelheit und wisse, dass jede Wende eine neue Chance birgt.
Asha Corina Appel ist Journalistin und seit über 20 Jahren schamanisch Praktizierende. Ihre Leidenschaft ist es, altes Wissen über die Naturspiritualität zugänglich zu machen und Menschen dabei zu helfen, sich wieder mit den Rhythmen ihrer eigenen Natur zu verbinden. Sie lebt und schreibt in Hessen, wo sie Workshops und Ausbildung im europäischen Schamanismus anbietet und ihre schamanische Praxis betreibt.